Inhalt
Wozu Philosophie?
Diese Ausgabe ist leider vergriffen.
Ein Nachdruck des Interviews mit Peter Sloterdijk erfolgte in der 2. Sonderausgabe des blauen reiters > Philosophie im Gespräch II.
Seit Menschen über sich und ihr Verhältnis zur Welt nachdenken, sehen sie sich mit der Frage nach dem Nutzen des Philosophierens konfrontiert. Da mit Nutzen auch in der Antike ein geldwerter, ein ökonomischer Nutzen gemeint war, sah sich schon Aristoteles genötigt, das Beispiel des Thales von Milet anzuführen. Als dieser wegen seiner Armut verspottet worden war, pachtete er sämtliche Ölpressen und verdiente, als – wie von ihm vorhergesehen – plötzlich viele Pressen benötigt wurden, „einen Haufen Geld zum Beweis, dass es für die Philosophen ein Leichtes wäre, reich zu werden“. Dass Denken allerdings auch hinderlich sein kann, beweist das Erfolgsrezept des besten Mittelstürmers der 1970er Jahre, Gerd Müller: „Wennst denkst, ist’s eh zu spät.“ In der Tat kann man mit Philosophie keine Tore schießen! Unwidersprochen ist jedoch auch, dass weder die Wirtschaftswissenschaft noch der Sport die berühmten Fragen Immanuel Kants beantworten können: „Was kann ich wissen?“, „Was soll ich tun?“, „Was darf ich hoffen?“ und „Was ist der Mensch?“.
Aus dem Inhalt:
thema
Philosophie, ein bunter Hund
Das ist es, „wozu“ Philosophie existiert: Sie beschäftigt sich direkt oder indirekt mit der Spannung in unserer Psyche. Philosophie ist, wenn sie nicht in die Verkündigungen letzter Wahrheiten, also in Glauben, mutiert, ehrlich. Jedes noch so schön zurechtgezimmerte System ist hinfällig. Das ist ja einer der Gründe für ihre Buntheit. Wer abgepackte letzte Wahrheiten will, soll dorthin gehen, wo sie verkündet werden. Er erbt jedoch die Schwierigkeit, dass es auch dort eine Unzahl Verkünder „anderer“ letzter Wahrheiten gibt.
Autor: Otto-Peter Obermeier
Philosophie als institutionalisierte Naivität
„Die Wissenschaft denkt nicht“, sagt Martin Heidegger. Philosophie hingegen thematisiert dieses Ungedachte. Sie ist absolute Reflexion. Sie hinterfragt alles noch einmal. Und: Philosophie ist die Weigerung, das Denken vom Denkenden zu trennen. Es ist ein Kennzeichen freiheitlicher Staaten, dass sie Institutionen bereitstellen für ein solches freies, durch keinen Systembedarf definiertes, durch keine gesellschaftliche Relevanz ausgewiesenes, … seine Naivität reflektierend behauptendes Denken.
Autor: Robert Spaemann
Philosophie ist die Kunst des langsamen Denkens
Die Philosophie ist die Kunst des langsamen Denkens. Sie schreitet langsam voran, weil es in ihr auf das rechte Fragen ankommt, und der Philosoph kann und muss sich Zeit lassen, weil er ein reicher Geist ist, der nicht nur ein Beispiel weiß, sondern noch ein zweites und ein drittes und ein viertes dazu; weil er die Argumentation variieren kann und seinen Gedankengang auf die Probe stellt, indem er vom Ergebnis noch einmal zurückgeht. Das Durchsprechen dauert.
Autor: Stefan Diebitz
Philosophie als Lebenskunst. Die Sorge um das Selbst
Zu den Bedingungen moderner Freiheit gehört die Notwendigkeit der Selbstsorge. Wer Philosophie studiert, um mit ihrer Hilfe Lebensfragen für sich zu klären, dem kann es passieren, dass er aufgefordert wird, „mal eine Psychotherapie zu machen“. Dabei stammt der Begriff der Lebenskunst aus der antiken Philosophie, ist also von vornherein philosophisch: Gestalte dein Leben so, dass es bejahenswert ist.
Autor: Wilhelm Schmid
Hegels Gans oder: Das Schmecken der Welt
Man schrieb das Jahr 1806, Hegel befand sich im siebenunddreißigsten Lebensjahr. Er ging in die Hegelstraße 37 in das Restaurant Hegel und bestellte einen Schoppen Hegelwein. Ja, dachte er, die Welt ist mit sich identisch!
Autor: Robert Menasse
Wozu „wozu“? Zeitgeist und Geist der Zeit
Die Philosophie bildet nur eine Gestalt des Zeitgeists. Gegenüber den Verselbstständigungen und Vereinseitigungen der modernen Kultur … und der Unterwerfung aller gesellschaftlichen Lebensäußerungen unter das Diktat von ökonomischem Erfolg und Effizienz bleibt die Philosophie dem Humanitätsideal verpflichtet und weiß sich damit als Wissen und Gewissen ihrer Zeit. Die Frage „Wozu ,wozu‘?“ aber bildet den Stachel, bei den Bemühungen um Selbstreflexion nicht zu erlahmen.
Autor: Hans-Klaus Keul
Mut zur Lüge. Das philosophische Tier
Menschen sind Wesen, die sich für bedeutend halten und die nach Bedeutung suchen. Menschliches Leben vollzieht sich im Raum der Bedeutsamkeit und des Sinns – mithin im Reich der Philosophie.
Autor: Jochen Hörisch
Philosophie als Askese
Denken gehört zu den selbstverständlichsten wie mysteriösesten Beschäftigungen des Menschen. Die Geschichte des Denkens lässt sich beschreiben als vergeblicher Versuch, zu einer letzten Ursache oder einem Höchsten, dem Absoluten, vorzustoßen, als fortgesetztes Scheitern, das stets von Neuem zur Offenheit herausfordert.
Autor: Dieter Mersch
Weltverwunderung oder: Warum Philosophie? Eine Miszelle
Ich bemerke seit einiger Zeit einen Zug zur Weltverwunderung an mir, der wie in Kinderzeiten zurückführt, als ich mir vorsetzte, Astronom zu werden, um die Beschaffenheit dessen zu ergründen, was wir im Deutschen mit dem schönen Wort Weltall bezeichnen.
Autor: Friedrich Dieckmann
Wozu analytische Philosophie?
Philosophie ist die Kunst, gute von schlechten Argumenten zu unterscheiden. Die analytische Philosophie grenzt sich von nicht analytischer Philosophie durch besonderes Bemühen um begriffliche Präzision und logische Stringenz der Argumentation ab.
Autor: Wolfgang Lenzen
Die versprochene Welt
Hausbesetzer. Die Jungen tun deshalb gut daran, die Wortgewalt der Alten durch Verball-
hornungen zu brechen, ihr den pathetischen Ernst durch Lachen zu nehmen, denn Lachen bringt das Leibliche zurück – man steht wieder auf den Beinen, statt auf dem Kopf: Wer jung bleiben will, der muss nicht zu Wort kommen, sondern zur Besinnung!
Autor: Wolfgang E. Reuber
umfragen
Wozu Philosophie?
Antworten von: Reinhold Messner, Gert Scobel, Gesine Schwan, Vittorio Hösle, Regina Halmich, Erwin Teufel, Margot Käßmann und Rudolf Heinz.
Wozu Philosophie?
Mit dem Mikrofon auf der Straße unterwegs war Udo Grün.
interview
mit Peter Sloterdijk
An der Pforte der Bedeutsamkeit. Philosophie als Zivilisationspädagogik
Was mir vorschwebt, ist ein Forum für Philosophie als zivilisatorisches Pädagogicum. Sie muss die Rolle einer Moderatorin im Übergang zur Weltkultur spielen lernen…
essay
Bin ich ein gebildeter Mensch? Bekenntnisse eines Hochstaplers
Nicht von ungefähr tragen die Berichte über den Zustand des deutschen Bildungswesens den Namen „Pisa“. Genauso sanierungsbedürftig wie der Turm, der die oberitalienische Stadt berühmt gemacht hat, ist hierzulande die Diskussion um die Bildung. Mehr Bildung wird gefordert, Bildungsinitiativen werden allenthalben gestartet, doch die Frage danach, was denn da gefördert werden soll, bleibt meist außen vor. Intelligenz ist das, was ein Intelligenztest misst – Bildung jedoch auf keinen Fall das, was der Pisa-Test zu messen vorgibt.
Autor: Siegfried Reusch
lexikon
Paradigmenwechsel
Autor: Thomas Bach
Philosophie als Wissenschaft
Autor: Roman Göbel
Philosophische Praxis
Autor: Thomas Gutknecht
Theologie
Autor: Wilhelm Schmidt-Biggemann
unterhaltung
Bücherrätsel
Autor: Stefan Baur
Haben Sie Probleme philosophischer Art? Dr. B. Reiter sorgt für Aufklärung!
Autor: Dr. B. Reiter
Wozu Philosophie?
Autor: Stefan Reusch
der einspalter
Wozu das alles?
Autor: Klaus Erlach
reihe
Geschichte der Naturwissenschaften und Technik:
Die Zähmung der Fernwirkung.
Von der Anschaulichkeit der Mechanik zur mathematischen Feldtheorie
Anders als Bewegung oder Kraft ist der Begriff des physikalischen Felds kein aus der Lebenswelt oder der Naturphilosophie der Antike bekanntes Konzept, sondern etablierte sich erst im Laufe des 19. Jahrhunderts. Wir begegnen ihm weniger in der Alltagstechnik zwischen Hebel, Toaster und Computer, sondern eher in Science-Fiction-Filmen. Eine weitere Auseinandersetzung mit der Frage der Wirkungsweise von Feldern seitens der modernen Philosophie wäre wünschenswert.
Autor: Johannes Röhl