der blaue reiter, 2. Sonderband
ISBN: 978-3-933722-25-6
€ 15,90 (D, unverb. Preisempf.)



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der blaue reiter 2. Sonderausgabe

 



Philosophie im Gespräch II


Das Gespräch ist die Urszene der Philosophie. Auch wenn viele die Schrift für die größte Errungenschaft der Menschheit erachten, ist das Gespräch doch die unmittelbarste Möglichkeit des Zugangs zum Denken des Gegenübers. „Wenn du etwas wissen willst und es durch Meditation nicht ändern kannst, so rate ich dir … mit dem nächsten Bekannten, der dir aufstößt, darüber zu sprechen“, so Heinrich von Kleist in Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden. In diesem Sinne schreibt auch Michel de Montaigne: „Das Gespräch ist, meiner Ansicht nach, die lohnendste und natürlichste Übung unseres Geistes: Keine andere Lebensbetätigung macht mir so viel Freude.“ Auch wenn allein der Dissens produktiv ist, wie der Medienwissenschaftler Jochen Hörisch schreibt, ist ein Gespräch kein Wettbewerb, in dem am Schluss ein Sieger gekürt wird, sondern ein Austausch zwischen gleichberechtigten Menschen mit unterschiedlichen Weltanschauungen und Lebenserfahrungen.
In diesem Sinne sind die vorliegenden Interviews mit Prominenten und Philosophen ein Angebot, in die jeweilige Welt des Denkens einzutauchen. Otto-Peter Obermeier, Jan Philipp Reemtsma, Heribert Illig, Peter Heintel, Peter Sloterdijk, Walther Ch. Zimmerli, Alexander Dill, Jean Ziegler, Maxim Biller, Slavoj Zizek, Eugen Drewermann, Helmut Schmidt, Joachim Gauck, Edgar Reitz, Helmut Schieber und Andreas Michel – allen Gesprächspartnern gelingt das, was der Mitbegründer und Mitherausgeber des blauen reiters, Klaus Giel, von der Philosophie einfordert: Sie bringen Welt zur Sprache – und stellen ihre je eigene Weltsicht, mithin sich selbst zur Disposition.

Aus dem Inhalt:
 

interviews


Die Wieder-Erotisierung der Wirklichkeit
Es gibt für mich keinen Aspekt des Lebens, über den man nicht nachdenken könnte, aber eine zu genaue Analyse macht jedes Leben kaputt, weil wir mit unserer Vernunft nicht umgehen können. Die Tragik ist die, dass man über ethische Ansätze das Verhalten zwar ändern kann, aber kaum in die gewünschte Richtung, höchstens in Richtung Heuchelei. Ethik bringt nichts, weil Ethik auf Vernunft setzt. 
der blaue reiter im Gespräch mit Otto-Peter Obermeier

Man hat immer Optionen… 
Freiheit bedeutet, dass ich es bin, der etwas will. Die moderne Hirnforschung hat nichts dazu beigetragen, dass die Debatte über Freiheit intelligenter oder differenzierter geführt worden wäre, als sie im Lauf der Philosophiegeschichte immer schon geführt worden ist. 
der blaue reiter im Gespräch mit Jan Philipp Reemtsma

Der Zeitraffer
Wir wollen nicht den Raum beherrschen, wie es die früheren Imperatoren machten, sondern wir wollen die Zeit beherrschen. Die Zeit ist eigentlich nur ein Produkt des Intellekts. 
der blaue reiter im Gespräch mit Heribert Illig

Der Zeitverzögerer
Das Werden und Vergehen des Lebens richtet sich nicht nach unseren konstruierten Zeitordnungen. Angesichts der Massenarbeitslosigkeit ist es für mich keine Utopie zu sagen, dass Menschen ganz schlicht für ihre Existenz bezahlt werden sollten und nicht für das, was sie tun. 
der blaue reiter im Gespräch mit Peter Heintel

An der Pforte der Bedeutsamkeit.
Philosophie als Zivilisationspädagogik

Philosophie ist selbst keine Wissenschaft – bestenfalls so etwas wie ein Wissenschaftsrat. In der Antike wurde wissenschaftliche Betätigung immer nur so weit betrieben, wie sie nötig war, um die Therapie der Seele zu voranzubringen.
der blaue reiter im Gespräch mit Peter Sloterdijk

Philosophie – Kläranlage der Gesellschaft
Das Reden über Verantwortungsethik hat eindeutigen Feiertagsredencharakter gewonnen. Sie können noch so rational sein und wissen immer noch nicht, was Sie tun und was Sie lassen sollen.
der blaue reiter im Gespräch mit Walther Ch. Zimmerli

Philosophie oder die Liebe zu einer nicht vorhandenen Frau
Philosophisches Gedankengut ist immer nur Rechtfertigung für ohnehin durchgeführte Politik. Akademische Philosophen in der Industrie sind ethische Sandmännchen.
der blaue reiter im Gespräch mit Alexander Dill

Die tödliche Gier nach Geld
Zwischen Unternehmensberatern wie den McKinsey-Menschen und SS-Männern gibt es keinen Unterschied. Genau die gleiche Logik. Und: Ein Börsenhändler ist einem Alchimisten vergleichbar, nur macht er nicht aus Blei Gold, sondern aus Luft Geld.
der blaue reiter im Gespräch mit Jean Ziegler

„Ich, sagt ihr immer nur, ich – ich – ich!“
Der Individualismus ist heute nichts anderes als Uniformität.
Es existiert ein Scheinindividualismus. Einer ist gleicher als der andere. Dabei sind es lauter Narzissten, die glauben, dass sie alle etwas ganz Besonderes, Spezielles und Einzigartiges darstellen.
der blaue reiter im Gespräch mit Maxim Biller

Das Trauma der Subjektivität
Subjektivität ist mehr als einfach das Prinzip der Autonomie, sie ist etwas viel Radikaleres. Die radikale Subjektivität geht einher mit ethischen Paradoxien. Zum Beispiel mit der Tatsache, dass man das radikale Böse nicht mehr vom Guten unterscheiden kann. Spiritualität im Sinne dieser radikalen Negativität ist, wenn das Gute paradoxerweise mit dem Bösen zusammenfällt.
der blaue reiter im Gespräch mit Slavoj Zizek

„Der Mensch, der sich selbst ergreift ohne Gott,
wird an seiner eigenen Angst zugrunde gehen…“

Es hat keinen Sinn mehr, eine Religion exklusiv abzugrenzen gegen eine andere. Religion ist nicht nötig, um Gesellschaft zu begründen, Religion ist nötig, um den Menschen zu begründen. Die Natur enthält nicht die Antworten, die wir Menschen brauchen, um menschlich zu sein.
der blaue reiter im Gespräch mit Eugen Drewermann

„Es ist nicht die Aufgabe der Bundesregierung,
dem Volk eine Philosophie zu geben“

Ich bin für Menschenrechte, aber ich bin auch für Menschenpflichten.
der blaue reiter im Gespräch mit Helmut Schmidt

„Die Idee der Gerechtigkeit muss immer wieder auf den Prüfstand“
Die Idee der Gerechtigkeit enthält letztlich Sehnsucht nach dem Paradies. Zur Würde und zum Leben in der Freiheit gehört die immerwährende Reparatur von Gerechtigkeitslücken.
der blaue reiter im Gespräch mit Joachim Gauck

„Heimat ist keine heile Welt“
In den Dörfern, wo jeder jeden kennt, herrscht der Terror. Die Weggeher, die Wegläufer sind die Hefe der Welt. Die Heimatlosen sind die Glückssucher, die Neudenker, die Schöpferischen. Heimatvertriebenen hat man die Entscheidung zu gehen weggenommen.
der blaue reiter im Gespräch mit Edgar Reitz

Geld ist Vertrauen
Mit dem Geld ist es ähnlich wie mit der Liebe, der Weisheit oder der Schönheit – je mehr man sich um die Bestimmung solcher Begriffe bemüht, desto problematischer wird die Definition … Geld ist ein Element der Freiheit. Wenn Sie glauben, Sie könnten heute die Geld- und Kapitalflüsse noch kontrollieren, dann sind Sie fürchterlich auf dem Holzweg.
der blaue reiter im Gespräch mit Helmut Schieber

Philosophie des Zauberns
Zaubervorstellungen sind die einzigen Veranstaltungen, bei denen sich die Leute beschweren würden, wenn sie nicht betrogen würden. Der Unterschied zwischen dem Philosophen und dem Zauberer ist der, dass der Philosoph nicht täuschen will, sondern mit dem Anspruch auftritt, Wahrheiten zu formulieren.
der blaue reiter im Gespräch mit Andreas Michel / Andino