der blaue reiter, Ausgabe 44
ISBN: 978-3-933722-60-7
Preis: 16,90 € (D), 17,40 € (A)



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der blaue reiter Ausgabe 44

 



Der Trost der Endlichkeit


Der Mensch kommt nicht einfach nur zur Welt, er wird geboren – geboren mit dem Vermögen, Anfänge zu setzen und Neues hervorzubringen. Doch mit der Geburt hängt auch das Damoklesschwert der Endlichkeit über ihm. Ob uns am Ende des Lebens ein Neubeginn, eine völlige Auflösung oder unendliche Seligkeit erwartet, kann niemand zweifelsfrei sagen. Denn die Frage des Lebensendes ist nicht nur eine Frage an das Leben, sondern auch eine Frage des Lebens selbst.

Aus dem Inhalt:

thema


Versöhnt mit der Endlichkeit
Die Lebenskunst des Michel de Montaigne

„Philosophieren heißt Sterben lernen“ war eine der geflügelten Wendungen der antiken Philosophie. Philosophie verstanden als vernunftgeleitete Lebenskunst musste ein bewusstes Verhältnis zum Tod entwickeln – dies blieb die Meinung fast aller antiker Philosophenschulen.
Autor: Robert Zimmer

Und jedem Ende wohnt ein Zauber inne
Vom guten Geist des Endes und des Anfangs

Das Ende hat einen schlechten Ruf. „Denn jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“, das prangt in Poesiealben, auf Selbsthilfebüchern, und sogar auf Twitter finden sich Hashtags: #jedemanfang. Sie werden bildlich umschwärmt von Vorstellungen von Frühling, Jugendfrische, erster Liebe; erstaunlich selten allerdings von der ersten Scheidung, der ersten Vorstrafe, der ersten Operation. Wäre es aber möglich, dass auch jedem Ende ein Zauber innewohnt, ein magischer Abschluss, eine – vielleicht nicht Beflügelung, aber Befriedung, Befriedigung, vielleicht sogar: eine Befreiung?
Autorin: Jutta Heinz

Diesseits ohne Jenseits
Zur Aufwertung des Endlichen bei Kierkegaard, Camus und Sartre

Da die meisten Philosophen der Antike den Tod, insbesondere den des Menschen, als Skandal empfanden, richteten sie ihr Augenmerk auf etwas, das nicht den Einengungen durch Raum und Zeit unterworfen ist, auf etwas Unendliches: das Sein, sowie die Seele als Sitz von Geist und Vernunft, die dem Menschen Trost im Unendlichen ermöglichen. Die Existenzphilosophen haben solche Fluchtversuche aus der Endlichkeit als Selbstbetrug entlarvt. Für sie eröffnet sich in der Freiheit des Menschen eine Unabhängigkeit von den Kausalgesetzen innerhalb der Endlichkeit. Sogar Sisyphos habe somit sein Schicksal selbst in der Hand.
Autorin: Annemarie Pieper

Der Todfeind
Elias Canetti im Kampf gegen Macht und Sterblichkeit

„Die Erkenntnis des Todes scheint das folgenschwerste Ereignis der menschlichen Geschichte zu sein. Sie wurde zu seiner Anerkennung“, diagnostizierte Elias Canetti. Der Tod war die große Obsession seines Lebens, eine permanente Provokation und mehr als nur eine philosophische Herausforderung.
Autor: Rüdiger Vaas

Vom Ende zum Anfang
Ist das Ende das Ende? Offenkundig gibt es Anlässe, bei denen es sinnvoll ist zu sagen, dass das Ende nicht einfach das Ende ist. Dass etwas mit dem Ende noch nicht abgeschlossen, nicht zu Ende ist, dass es etwas nach dem Ende gibt. Etwas kann weitergehen, Neues kann entstehen, das Ende kann ein Übergang zu Anderem, ein neuer Anfang sein; denn hinter jedem Anfang liegt ein nie ganz einzuholender Grund.
Autor: Emil Angehrn

Das Glück der Wiedergeburt?
Es macht einen Unterschied, ob man glaubt, dass alles Erschaffene einen Anfang und ein Ende hat und das einzelne Leben einmalig ist, oder – wie beispielsweise im Fall der buddhistischen Religion – dass das einzelne Leben nur ein Glied innerhalb einer endlosen, sich ständig reproduzierenden Kette von Existenzen darstellt. Aber dann müsste man fragen: Existenz von was?
Autor: Martin Lehnert

Ist Unsterblichkeit erstrebenswert?
Wer würde nicht gerne unsterblich sein? Jung bleiben und lange leben sind für Ernst Bloch „die zwei allgemeinsten Lieblingswünsche der Menschen“. Zu allen Zeiten wurden Elixiere, Wundermittel und Anti-Aging-Pillen feilgeboten, die ein langes Leben versprechen. Als letzte, finale Utopie gilt die Abschaffung des Todes. Aber ist Unsterblichkeit wirklich erstrebenswert?
Autor: Thomas Zoglauer

Dann geh doch!
Was unterscheidet den Menschen vom Tier? Was haben wir uns nicht den Kopf zerbrochen, um diese Frage möglichst vorteilhaft für unsere Spezies zu beantworten. Die Sprache – Fehlanzeige. Die Hilfsbereitschaft – Fehlanzeige. Endlich gibt es aber wieder etwas, worauf wir wirklich stolz sein können: das Verabschieden! Denn Affen fehlt das „Tschüssikowski“-Gen, die Begrüßung bedeutet Ihnen mehr als der Abschied!
Autor: Eckart von Hirschhausen

Die Kunst des Alterns
Die Menschen wollen zwar lange leben, aber das Altwerden lehnen sie ab. Entsprechend ist Altern nichts für Feiglinge, denn der kluge Mensch muss ein positives Verhältnis zum Sterben finden.
Autor: Otfried Höffe

Der Tod beißt nicht!
„Selbst-Mord“ oder wohlüberlegter „Austritt“ aus dem Leben?

Steht jedem die Türe offen, wenn die Hütte, in der wir leben, brennt und der Rauch unerträglich wird? Dürfen wir den Posten, auf den uns der Schöpfer abkommandiert hat, nicht ohne seine Einwilligung verlassen und ist, wer es dennoch wagt, Mörder an sich selbst, ein feiger Deserteur, ein Schurke und Schwerverbrecher an sich selbst?
Autor: Otto-Peter Obermeier

Ganzmacher Tod
Heidegger und die „äußerste Möglichkeit“

Das Leben ist zumeist Flucht vor der realen und jederzeit gegebenen Todesmöglichkeit. Dabei muss das Selbstsein immer wieder neu der Todesangst abgerungen werden. Doch nur wer sich auf seinen Tod hin entwirft, erfasst sich als ein endliches Wesen.
Autor: Andreas Luckner

Gute und schlechte Unendlichkeit
Über die Logik des Endlichen und des Unendlichen

„Endlichkeit“ hat für uns notwendig den existenziellsten Beiklang, in dem immer auch die Sehnsucht nach Ewigkeit mitschwingt. Dabei ist dem Wortsinne nach unendlich nur das, was keine Grenze hat, wie Hegel schreibt. Der schlechten Unendlichkeit, das heißt der puren Negation des Endlichen, setzt er eine gute Unendlichkeit gegenüber: die Aufhebung des Widerspruchs von Endlichkeit und Unendlichkeit als Einheit und Gegensatz zugleich. Das Unendliche wird solchermaßen als Kreis gedacht, als „sich erreicht habende Linie, die geschlossen und ganz gegenwärtig ist, ohne Anfangspunkt und Ende“.
Autor: Jan Urbich

Endlich!
Das Ende als Erlösung

Alles Lebendige ist endlich. Man kann sich über diese Endlichkeit endlos streiten. Man kann die Sache aber auch mit dem Mute der Verzweiflung angehen: Dann gibt die Endlichkeit dem Leben erst seinen Sinn. Aber das Ende lässt sich nicht als magischer Sinngeber einer durchlittenen, verlorenen Zeit rechtfertigen!
Autor: Stefan Gammel

Was kommt nach der Endlichkeit?
Eine kurze Kulturgeschichte des ewigen Lebens

Viele Religionen versprechen ein über den Tod hinausreichendes Leben, das kein Ende mehr kennt. In Gestalt der Annahme, der Mensch habe eine vom sterblichen Leib verschiedene unsterbliche Seele, hat solches Versprechen bereits in der Antike philosophische Unterstützung erfahren und wird auch noch heute von vielen für wahrscheinlich gehalten.
Autor: Bernhard Lang


umfrage
Haben Sie Angst vor dem Tod?
Möchten Sie unsterblich sein?
Ist der Tod für Sie ein Trost?

Mit dem Mikrofon unterwegs war Martin Krieger bei den Teilnehmern der AGORA-Lectures in Frankfurt sowie bei Mitgliedern der Gruppe Philosophie und des Ethik-Seminars des Diskussionskreises Taunus Bad Homburg e.V.


kolumne
Augenblick und Ewigkeit
„Sie werden“, hebt der Anfang 1952 von Thomas Mann für eine New Yorker Rundfunk-Umfrage geschriebene Text an, „überrascht sein, mich auf Ihre Frage, woran ich glaube oder was ich am höchsten stelle, antworten zu hören: Es ist die Vergänglichkeit. Aber Vergänglichkeit ist etwas sehr Trauriges, werden Sie sagen. – Nein, erwidere ich, sie ist die Seele des Seins, ist das, was allem Leben Wert, Würde und Interesse verleiht, denn sie schafft Zeit, – und Zeit ist, wenigstens potenziell, die höchste, nutzbarste Gabe.“
Autor: Friedrich Dieckmann


essay
Vexierbilder der Endlichkeit
Gedankenspiele

Wäre das menschliche Leben nicht endlich und wüssten die Menschen nicht, dass es so ist, gäbe es keine Philosophie und auch keine Literatur. Allein darum sollten wir dafür dankbar sein, dass wir um unsere Endlichkeit wissen, denn andernfalls hätten wir gar nichts zu denken und könnten uns nicht in den Darbietungen der Künste begegnen. Aber sollten wir deswegen auch damit einverstanden sein, dass uns nichts anderes bleibt als die kurze Weile, die wir unter unseresgleichen verbringen?
Autor: Martin Seel


lexikon
Lemminge
Autorin: Jutta Heinz

Sterbehilfe
Autor:
Dieter Birnbacher

Zombies
Autoren:
Peter Klimczak, Ramon Thorwirth


unterhaltung
Bücherrätsel
Autor: Stefan Baur

Haben Sie Probleme philosophischer Art?
Das Dr. B. Reiter Team sorgt für Aufklärung!

Das Dr. B. Reiter Team beantwortet Ihre Fragen auch auf seiner > Facebook-Seite.

Die Besten sind schon fort
Die Besten sterben früh. So viele Jahrhunderte einfach so, zack bumm weg! Und wer weiß, ob noch eins von ihnen je wiederkommt. Und da waren Superjahrhunderte dabei. Das 4. Jahrhundert vor Christus. Supi. Aber vorbei.
Autor: Stefan Reusch


porträt
Mit Mathematik zum Seelenheil
Boethius im Porträt

Wegen Hochverrats zum Tode verurteilt, verfasst Anicius Manlius Severinus Boethius, Gelehrter, Konsul und königlicher Hofmarschall des Ostgotenkönigs Theoderich, im Arrest auf seine Hinrichtung wartend, einen Klassiker der Geistesgeschichte: den Dialog Trost der Philosophie.
Autor: Christian Vogel