Toni Huber
Das Buch vom Stellmacher

Das Buch vom Stellmacher

 




Opus – Das Kulturmagazin der Großregion im Herzen Europas
September/Oktober 2018

Ein Philosoph in der Provinz

Es ist eine ungewöhnliche Hauptfigur, die Toni Huber in seinem neuen „Buch vom Stellmacher“ entwirft. Fest verwurzelt in der dörflichen Umgebung seines Heimatortes, reflektiert der Stellmacher aus Alltagsbeobachtungen die kleinen und großen Fragen der Welt. Den aufmerksamen Lesern von Hubers Prosa ist die Figur des Stellmachers nicht unbekannt. In einem Kurzgeschichtenband aus dem Jahre 1997 hatte sie der Autor erstmals vorgestellt. Nun ist im Verlag der blaue reiter „Das Buch vom Stellmacher“ erschienen, eine Fortsetzung mit alten und neuen Geschichten. Die dörfliche Welt, die Huber beschreibt, hat einen realen Ursprung. Der Autor ist selbst auf dem Land groß geworden: im saarländischen Urexweiler, als Sohn eines Stellmachers. Die literarische Figur ist an den Vater angelehnt. Es sind Geschichten von kleinen Leuten mit freiem, wachem Verstand, die Huber in seinem Buch erzählt: „Sie lebten mit den Füßen fest auf der Scholle, mit dem Kopf freischwebend in anderen Gefilden“, heißt es über die „Sippe“ des Stellmachers. Tief verwurzelt im heimatlichen Kosmos und geprägt von der harten körperlichen Arbeit streben die Protagonisten dieser Geschichten nach geistigen Höhen, symbolisiert etwa durch die Leitern des Stellmachers oder die Flugversuche des Urgroßvaters. Es sind Figuren, die sich ihre eigenen Gedanken über die Welt machen. Sie haben ihre „Nase im Wind“, sind Widerständler im Kleinen. Das Besondere an Hubers Buch ist, dass die bäuerlich-dörfliche Umgebung als Ursprung einer reflexiven Weltsicht gezeigt wird. Die Figuren kommen zu ihren Überlegungen nicht obwohl, sondern gerade weil sie aus diesem einfachen, nicht-akademischen Milieu entstammen. Huber gelingt in seinem Buch eine Poetisierung der Provinz, ohne dass daraus ein nostalgisches Idyll wird. Denn die handelnden Personen werden immer wieder mit den historischen Katastrophen ihrer Zeit konfrontiert. Sie alle leben mit und in der Geschichte, die auch vor dem kleinen dörflichen Kosmos des Stellmachers nicht Halt macht. Ein großes Buch der kleinen Leute.
Text: Johann Emilian Horras


> Porträt von Toni Huber am 12. April 2017 im SR Fernsehen, Reihe „Wir im Saarland – Kultur“