Eva Koethen
Fotografische Räume

Fotografische Räume

 




Portal für Kunstgeschichte
30. Mai 2016

Die an der Leibniz Universität Hannover lehrende Kunstwissenschaftlerin und Fotografin Eva Koethen stellt „ver-rückte Orte“ in Bildern dar. Ausgebreitet auf dem Boden, sollen sie die Multiperspektivität einer uneinheitlichen Welt anschaulich machen. … Der Katalog ist also kulturen- und sprachenübergreifend, und damit trifft er auch das Ziel der Arbeiten Koethens, die in ihrem Text über den Gegensatz von Integration und Inklusion sinniert. Integration (und natürich ist die Integration von Einwanderern und Flüchtlingen gemeint), als bloße Erneuerung übersetzt und verstanden, kann nach ihr nicht die Lösung sein, sondern die Autorin zielt auf und verlangt Inklusion, also die gleichberechtigte Vermischung verschiedenster, einander befruchtender Kulturen. Damit formuliert sie ein Ideal, das expressis verbis an Jakob Burckhardts Darstellung der „Kultur der Renaissance“ anknüpft.
Koethen legt mit Recht Wert auf den Vorrang des Visuellen, also darauf, dass es das Auge ist, mit dem wir Zusammenhänge wahrnehmen. Aber: „obwohl ich unweigerlich Zusammenhänge sehe (und während des Malens mehr und mehr in Erfahrung bringe), gelange ich zu keinem Wissensbefund. Stattdessen reichern sich die Phänomene an und zeigen unzählige Nuancen, in denen Fülle als Steigerung lebendiger Vielfältigkeit erscheint.“ Im Grunde fordert sie also das Sammeln von Bildern und könnte sich sogar auf so große Geister wie Aby Warburg oder Alfred North Whitehead berufen, der für die Arbeit des Philosophen das Sammeln an den Anfang stellt. …
Es ist offenbar das ziemlich pädagogische Ziel der Künstlerin, „Aufmerksamkeit und Achtsamkeit“ zu fördern und die Menschen eben darin zu schulen. Koethen betont die Fähigkeit des Menschen, Ähnlichkeiten und Verbindungen trotz aller Unterschiede zu entdecken. So gewinnt die Ästhetik, die sich im „Zusammenschauen von unvereinbar Erscheinendem“ übt, eine ziemlich unvermittelte politische Relevanz. …
Die Bildteile des Buches zeigen die Fotos, die Koethen 2013 in New York und Berlin und 2014 in X’ian ausgestellt oder besser: ausgelegt, nämlich auf dem Boden ausgebreitet hat. Den Beschädigungen, welche die Fotos auf diese Weise besonders in X’ian erfuhren, vermag sie in einer eigenen Anmerkung noch etwas Positives abzugewinnen, weil dank der Trittmuster „eine eigene Perspektive“ entstand, in der ihr „en passant gewonnenes Fotomaterial aus der Alltagswelt in unerwarteter Weise in diese zurückkehrte: nicht in Form von Bildmotiven, sondern als reale Spur alltäglichen Gebrauchs und verschleißender Materialität.“
Text: Stefan Diebitz