Theorie an der Bar |
Presse
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
9. Oktober 2008
Peter Schneider, der Zürcher Seelenarzt und gebürtige Dorstener, moderierte sonntags die Denker-Debatten in der „Bar litteraire”. Daraus wurde jetzt ein anregendes Büchlein fürs genussvolle Philosophieren. „Zu wissenschaftlich” wird der Freudianer nur bei Prof. Freud
Die Geistesschärfe ist so gut gemixt mit herbem Humor, dass sie dem Leser durchaus Appetit zum Nach-Denken machen kann.
So genügen Peter Schneider dreieinhalb Seiten, um Adam Smith vom Vorurteil zu befreien, er sei ein apologetischer Theoretiker des Raubtier-Kapitalismus. Den kleinen Text mit dem Titel „Die segensreiche Täuschung” möchte man den Gierhälsen am derzeit fies knarrenden Börsenparkett genussvoll in denselben stopfen.
Der gebürtige Dorstener macht aber auch bekannt mit einem vergessenen Helden von Buchenwald: Der Mediziner Ludwig Fleck beschrieb in den 1930er Jahren nicht nur das „Denken mit Stil”. Der Typhusspezialist rettete auch KZ-Mithäftlinge, schreibt Peter Schneider, „indem er der SS große Mengen unwirksamer Vaccine lieferte, während er den wirksamen Impfstoff für die Häftlinge abzweigte”.
Es ist längst nicht das einzige Drama des menschlichen Geistes, das die „Theorie an der Bar” fast nonchalant in wenig mehr als einem Nebensatz abhandelt. Mehr soll’s auch nicht sein – denn selbst weiterdenken ist erlaubt.
Der Denkkasten rattert bei dieser Lektüre fast wie von selbst los – ähnlich dem analytischen Münzautomaten neben der Patienten Couch auf einer der 14 Karikaturen von Jan Tomaschoff. Auch sie machen dieses Büchlein zu einem Lesestoff, den man keineswegs am Tresen vergessen sollte…