der blaue reiter, Ausgabe 26
ISBN: 978-3-933722-24-9
€ 15,90 (D, unverb. Preisempf.)



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der blaue reiter Ausgabe 26

 



Unser Körper – zwischen Ich und Welt


Als Grundlage unserer Existenz scheint uns unser Körper eine Selbstverständlichkeit. Zum Thema wird er zumeist erst dann, wenn er sich störend bemerkbar macht: wenn er nicht so aussieht, wie es gerade erwünscht ist, wenn er sich in der Pubertät oder im Alterungsprozess verändert, wenn er an seine Leistungsgrenzen kommt oder wenn er krank ist, kurz: wenn er nicht mehr so funktioniert, wie wir es von ihm erwarten. Dass wir aus der Konstitution und der Verfassung unseres Körpers auch etwas über uns und unsere geistige Verfasstheit lernen, dass die Erfahrungen, die man mit Krankheiten oder Behinderungen macht, auch einen Wert darstellen können, ist heutzutage nur schwer vermittelbar. „Es ist der Geist, der sich den Körper baut“, heißt es schon bei Schiller. Doch so, wie sich die Handlungen und Meinungen eines jeden „Ichs“ aus seiner Geschichte, das heißt aus seiner Erziehung, aus seiner Kultur und aus seinem Umgang mit den anderen speisen, so ist auch der Körper kein „autonomes“ Wesen und schon gar kein „autonomes“ Ding. Um Leib sein zu können, bedarf der Körper als das existenzielle menschliche Apriori, das heißt als unvordenkliche materielle Basis des Geistes, auch der Auseinandersetzung mit dem anderen Körper. Nur im als Einheit von Geistigem und Körperlichem verstandenen „Zwischen“, kann sich das erfüllen, was sich im Begriff Mensch ausdrückt. Der Körper ist eben nicht nur unabdingbarer Mittler zwischen Ich und Welt, sondern ebenso Teil des Ichs, wie das Ich Teil des Körpers ist.

Aus dem Inhalt:

thema


Philosophische Körperbilder.
Der menschliche Körper: Ebenbild Gottes oder Kerker der Seele?

Ein gesteigertes Körperbewusstsein gehört zu den charakteristischen Merkmalen unserer Zeit. Das ist nicht selbstverständlich, wenn man bedenkt, welch untergeordnete Rolle der Körper in der abendländischen Philosophiegeschichte spielt.
Autor: Franz Josef Wetz

Bin ich nur ein Geist?
Die denkende Substanz (res cogitans) und die ausgedehnte Substanz (res extensa) sind René Descartes zufolge die Stoffe, aus denen der Mensch gemacht ist. Seit dieser berühmt gewordenen Trennung gilt Descartes als Zerstörer der Einheit von Körper und Geist. Aber: Ist das sich denkende Subjekt, ist das Ich bei Descartes nur ein „Gespenst in der Maschine“, wie Gilbert Ryle spöttisch bemerkte, oder gibt es nicht auch bei Descartes etwas Drittes, das Körper und Geist zu einer Einheit, zu einer Person werden lässt?
Autor: Dominik Perler

Das Gewaltsame in der Medizin. Mit den Organen eines anderen leben
In der Welt des dritten Jahrtausends triumphiert die Ideologie des Markts in jeder Hinsicht. Die Technisierung und Kommerzialisierung des menschlichen Körpers stellt die letzte Stufe einer Entwicklung dar. Wir sind dabei, den menschlichen Körper zu zerlegen und zu vermarkten – den letzten Bereich, den die moderne Marktwirtschaft noch nicht erobert hatte.
Autorin: Elisabeth Wellendorf

Tote Körper im Zeitalter des Lebens: Vom Wertgewinn der Leiche
Moderne Gesellschaften verlieren ihre Trauerrituale, sie verlegen den Sterbevorgang in Kliniken und verbergen den toten Körper vor dem öffentlichen Blick. Leichen werden nicht mehr aufgebahrt, Bestattungen erfolgen formlos und in der Trauer sind die Betroffenen allein. Der tote Stoff wird verleugnet. Doch im Zeitalter von Biotechniken und Biopolitik gewinnt der tote Körper einen neuen Wert.
Autoren: Petra Gehring und Ludger Fittkau

Zwischen allen Geschlechtern. Körper und Geschlechtsidentität
Weiblichkeit und Männlichkeit sind keine anatomischen Gegebenheiten, sondern kulturelle Zuschreibungen. Die Unterscheidung von Natur und Kultur, Biologischem (sex) und Sozialem (gender) im Phänomen „Geschlecht“, so Judith Butler, lässt sich nicht aufrechterhalten: Der Geschlechtskörper eines Subjekts, der als „weiblich“ oder „männlich“ eingeordnet wird, hat von Anfang an eine kulturelle Entstehungsgeschichte.
Autorin: Regina Becker-Schmidt

Wem gehört mein Körper?
In Bezug auf den lebenden Körper hat sich eine wahre „Körper-Kultur“ entwickelt, die Fragen des Stils und der Schönheit ebenso erfasst wie sportliche Höchstleistungen und die Verbesserung menschlicher Fähigkeiten (Enhancement). Aber nicht alles, was gefällt und machbar ist, ist rechtlich erlaubt. Das Menschenbild der Rechtsordnung ist gemeinschafts-bezogen, der Umgang mit dem eigenen Körper unterliegt Beschränkungen durch die Gesellschaft.
Autorin: Brigitte Tag

Vergessene Körper-Perspektiven in der Medizin
Ärzte definieren Krankheiten, statt sie als Prozess zu begreifen. Allzuoft ist die Not existenziell und die Hilfe technisch. Doch Körper funktionieren nicht; sie erzählen ihre Geschichte. Was heute fehlt, ist eine medizinisch orientierte Körperreflexion.
Autor: Franz Josef Illhardt

Der Körper des Menschen als Quelle der Technik
Zweifellos ist der Mensch infolge seiner natürlichen Ausstattungen nicht nur zum technischen Handeln befähigt, sondern auch gezwungen. Der Ursprung der Technik ist jedoch nicht in der existenziellen Not des Menschen begründet. Vielmehr ist Technik die Tugend des Menschen. Grundlage der technischen Lebenspraxis des Menschen ist der menschliche Körper, denn: „Es ist nämlich die Hand nicht in jeder Hinsicht ein Teil des Menschen, sondern nur die, die ihr Werk zu vollenden vermag, also nur als beseelte; als unbeseelte ist sie kein Teil.“ (Aristoteles)
Autor: Klaus Erlach

Der Körper als Diskurseffekt. Michel Foucaults Philosophie der Körperlichkeit
Michel Foucaults Philosophie des menschlichen Körpers lässt sich in zwei pointierte Aussagen bündeln: Die erste besagt, dass der Körper kein natürliches „Ding“ ist, das dem Menschen von Natur aus gegeben ist, sondern dass er erst in einer Verschränkung von Macht und Wissen entsteht; die zweite, dass die Kontrolle über den Körper in der Moderne die Bedingung dafür ist, den Menschen als ein psychisches Wesen zu denken.
Autorin: Hania Siebenpfeiffer

Der schöne Körper
Schönheitschirurgie, Fitnesswellen, Diäten, Doping im Bodybuilding – solche Maßnahmen
sind einschlägige Belege für den Wunsch nach einer gesellschaftlich umgreifenden „Ver-
schönerung“ des Körpers. Sie werden von den einen als Ausdruck eines spätmodernen Lebensgefühls interpretiert, in dessen Rahmen selbst der „Body“ als Teil einer Patchwork-identität beliebig geformt werden kann. Andere hingegen verstehen diese Art von Körperarbeit eher als Verhübschung und damit als Verlust von Schönheit als Wert an sich.
Autorin: Gabriele Klein

„Who wants to live forever…?“ Der Weg zur Unsterblichkeit
Erklärtes Ziel der sogenannten Transhumanisten ist es, das Mängelwesen Mensch entweder durch künstliche Prothesen wie Hirnchips, zusätzliche künstlich oder gentechnisch erzeugte Gliedmaßen zu verbessern oder den menschlichen Geist, das Denken und Fühlen des Menschen ganz aus dem Körper auszulagern und in das World Wide Web zu transferieren. Dies ist tatsächlich das Programm einer Vereinigung von Wissenschaftlern, die sich die Befreiung des Menschen aus dem „Gefängnis“ Körper zum Ziel gesetzt haben.
Autor: Stefan Gammel

Leib und Körper – eine paradoxe Einheit
Der menschliche Körper ist seit jeher auf vielfältigste Art und Weise in Anspruch genommen worden: als Arbeitsmittel, Geschlechtsleib, Träger menschlicher Kommunikation, Gefäß sinnlicher Einverleibung, Gegenstand des Genusses und nicht zuletzt als Objekt der Zufügung von Leiden. Dabei konnte die eine oder andere Beanspruchung im Vordergrund stehen, doch nie haben die anderen sich dadurch gänzlich aus der Welt schaffen lassen. Der Leib ist das Medium einer mit anderen geteilten Welt, er ist ein Gegenüber, kein Gegenstand.
Autor: Friedrich Kümmel


umfrage
Was bedeutet Ihnen Ihr Körper?
Mit dem Mikrofon unterwegs war Udo Grün.


kolumne
Die unauslotbare Affäre
Ich und mein Körper, wie stehen wir zueinander? Offenbar sind wir zweierlei, und ebenso offenbar sind wir eng miteinander verbunden. Wie eng, beschäftigt die Menschheit seit ihrem Erwachen aus dem Schlaf der Natur.
Autor: Friedrich Dieckmann


essay
Doch letztlich rebelliert der Körper
Nicht selten reagiert der Körper mit Krankheiten auf die dauernde Missachtung seiner lebenserhaltenden Funktionen. Zu ihnen gehört die Treue zu unserer wahren Geschichte. Es handelt sich um den Konflikt zwischen dem, was wir fühlen und wissen, weil es unser Körper registriert hat, und dem, was wir fühlen möchten, um den moralischen Normen zu entsprechen, die wir sehr früh verinnerlicht haben. Es stellt sich heraus, dass wir diesen Kompromiss mit körperlichen Erkrankungen bezahlen.
Autorin: Alice Miller


lexikon
Astralleib
Autor:
Jörg Ewertowski

Astronaut
Autor:
Rüdiger Vaas

Blut, blaues
Autorin:
Mariacarla Gadebusch Bondio

Geometrie
Autor:
Jörg Wernecke

Mumie
Autor:
Wolfgang Wettengel


unterhaltung
Bücherrätsel
Autor: Stefan Baur

Haben Sie Probleme philosophischer Art? Dr. B. Reiter sorgt für Aufklärung!
Autor: Dr. B. Reiter

Der vermessene Körper
Autor: Stefan Reusch


portrait
Der Leib als Medium und Norm. Maurice Merleau-Ponty im Porträt
Maurice Merleau-Ponty machte Ernst mit dem Denken, indem er sich jeder reinen Gedankenspielerei versagte und das Reflektieren selbst auf seine Ursprünge hin freilegte. Philosophische Reflexion ist für ihn Aufklärung des menschlichen Seins. Philosophieren ist ein Verhalten des Menschen, das zu seiner Lebensform gehört, aber auch in seiner Lebensform wurzelt.
Autor: Christian Bermes


reihe
Ethik aktuell:
Rücksicht auf Tiere?
Wie lassen sich moralische Forderungen für unseren Umgang mit Tieren begründen? Kommt, da ja Tiere fühlende Wesen sind, eine gleiche Begründung wie für unseren Umgang mit Menschen infrage? Oder gibt es grundlegende Unterschiede zwischen Mensch und Tier, die eine Rücksichtnahme auf Interessen von Tieren unnötig machen?
Autor: Norbert Hoerster