der blaue reiter, Ausgabe 23
ISBN: 978-3-933722-17-1
€ 15,10 (D, unverb. Preisempf.)



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der blaue reiter Ausgabe 23

 



Heimat


Heimat wurde und wird bis zur Unkenntlichkeit verklärt und verkitscht, von den unterschied-lichsten Ideologien stilisiert, benutzt und missbraucht. Mythologisch aufgeladene, sentimentale Erinnerung gehört ebenso zum Begriffsfeld Heimat wie banale geografische Ortsbestimmung.
Das, was mit Heimat gemeint ist, schwingt zwischen intim Persönlichem und Weltpolitik, ist Anspruch auf Zugehörigkeit wie Fluchtpunkt und Anlass zum Aufbruch. Heimat ist Projektions-fläche der unterschiedlichsten Sehnsüchte – vor allem der nach einer heilen Welt; sie kann Geborgenheit vermitteln, aber auch als Gefängnis empfunden werden, ist Antrieb zur Bewahrung des Überlieferten wie Triebkraft zur Veränderung. Manch einer gerät in Sonntagsstimmung, wenn er dem Begriff Heimat begegnet, andere würden ihn am liebsten zur Ablage an ein historisches Wörterbuch verweisen. Während die einen an der Enge der Heimat leiden, kranken die anderen am Verlust derselben, werden heimwehkrank – kurz: Heimat ist ein vielschichtiger Begriff.

Aus dem Inhalt:

thema


Heimat? Heimat! Heimat als Aufgabe

Der Begriff Heimat provoziert nicht nur die Gefahr von Missverständnissen, sondern gibt auch die Chance der Vermittlung zwischen sehr verschiedenartigen Positionen. Heimat ist nichts, das sich konsumieren lässt. Heimat und Welt müssen versöhnt werden.
Autor: Hermann Bausinger

Ich bin n taffer Liberalkiller
Der zeigt seinen Flachbrustkumpeln seinen Urlaub auf Dia und bräst was von „meine Heimat serr gutt!“ oder „ Schafskäse serr weisss in Türkiye“, und die Pleiterunde nickt’s ab und denkt: „Ist das n lausiger Ziegenanatolier!“ Mit wem Freund sein, hä? Mit so nem Blondgesocks? Mitm Liberal, der mich abgrabbelt auf Heimatsprach und Sprechen-gut-Deutsch? Mit Interkulti und Folk gegen rechts?
Autor: Feridun Zaimoglu

Heimat im Zeitalter der Globalisierung
Nähe und Ferne sind heute keine räumlichen Begriffe mehr. Ununterbrochen unterwegs zu sein ist zu einem Markenzeichen der globalen Elite geworden. Heute sind diejenigen im Nachteil, die an einer Heimat im Sinne eines festen Wohnorts festhalten.
Autor: Hartmut Rosa

Wo ist der Weise zu Hause? Der Philosoph als Kosmopolit
Wo ist der Weise zu Hause? Hat die Philosophie eine Heimat? Für den heutigen Intellektuellen ist die Frage wohl relativ leicht zu beantworten: Er nährt sich von den Brosamen der unterschiedlichsten Weltanschauungen, hat keine geistige Heimat mehr und ist somit in zunehmendem Maße betroffen von „transzendentaler Obdachlosigkeit“.
Autorin: Jutta Heinz

Der Ort der Heimat
Die Frage nach der Heimat ist eine spezielle Form von Ortsfrage. „Wo ist deine Heimat?“ Oder: „Wo bist du zu Hause?“ In solchen Formulierungen finden wir eine unlösbare Verknüpfung von wer und wo. Denkbar ist dies nur vor dem Hintergrund einer bestimmten Raumauffassung, die sich auf den „gelebten Raum“ stützt. Der gelebte Raum ist kein leerer Behälter, sondern ein mehr oder weniger erfüllter und gegliederter Raum; er ist kein gleichförmiges Medium, sondern nimmt verschiedenartige Strukturen an.
Autor: Bernhard Waldenfels

Das ferne Nahe. Eine Philosophie des Reisens
Das Ferne ist nah geworden, aber auch langweilig. Es will nicht mehr richtig anders werden im Anderswo. Gleichzeitig holen wir uns das Anderswo ins Haus, mit exotischen Souvenirs, vor allem aber mittels der Medien. Wozu noch hinaus in die Welt?
Autor: Elmar Schenkel

Heimat wird erst
Was Heimat ist, kann man nicht ermessen, solange man in ihr weilt. Man lernt es erst, wenn man sie verloren oder verlassen hat. Erst nachträglich wächst ihr ihre volle Bedeutung zu. Heimat ist der Versuch, die Kindheit verwandelnd einzuholen.
Autor: Christoph Türcke

Zur „Heimat“ verurteilt?
Weder ausschließlich wohnend noch ausschließlich gehend, lässt der Mensch sich geradezu als ein „Zwischen“ fassen, das sein Leben lang gezwungen ist, zwischen seinem Heim und seinen Wegen zu pendeln. Die Suche nach Heimat meint, sich als Heim-Weg zu verwirklichen.
Autorin: Karen Joisten

Heimat und Freiheit
„Heimat sind für mich die Menschen, für die ich Verantwortung trage“, formuliert der Medientheoretiker Vilém Flusser 1985 in einem Vortrag über Heimat und Heimatlosigkeit. Er spricht als Migrant, der mehrmals seine Wohnorte radikal wechselte. Zugleich spricht er in der Überzeugung, dass Migration im technisch bestimmten Zeitalter ein Modell für die Zukunft der Menschheit ist.
Autor: Nils Röller

Der Ort des Menschen im Kosmos. Zur Philosophie der Weltraumfahrt
Um die Bedeutung von „Heimat“ neu zu verorten, muss man mit der Weltraumfahrt beginnen. Erst im Durchdenken der Weltraumfahrt versteht man das neue Phänomen „Heimat Erde“.
Autor: Joachim Fischer


umfrage
Was bedeutet Heimat für Sie?
Mit dem Mikrofon unterwegs war Silvia Lipski.


kolumne
Heimat. Eine Umfrage
An den im Weltinnenraum des Kapitals ausgesetzten Menschen der Gegenwart ergeht die Anforderung, sich wie Seidls Mond zu fühlen: Er soll überall zu Hause sein, indem er es nirgendwo ist.
Autor: Friedrich Dieckmann


interview
mit Edgar Reitz
„Heimat ist keine heile Welt“
In den Dörfern, wo jeder jeden kennt, herrscht der Terror.


essay
Im Wort wohnen. Friedrich Hölderlins Heimaten
Im „global village“ hält man einen Kirchturmhahn nebst Lindenbaum mit Brunnen, Marktplatz und Kirchhof für eine virtuelle Installation oder eine die Religion verhöhnende Natursimulation. Heimat birgt nicht; sie fordert vielmehr, dass der Dichter ihren Sinn berge.
Autor: Rüdiger Görner


lexikon
Gartenzwerg
Autor: Jörg Zirfas

Gast, Gastlichkeit, Gastfreundschaft, Gastarbeiter
Autor: Klaus-Dieter Eichler

Kosmos
Autor: Rüdiger Vaas

Vaterland
Autor: Paul Münch


unterhaltung
Bücherrätsel
Autor: Stefan Baur

Haben Sie Probleme philosophischer Art? Dr. B. Reiter sorgt für Aufklärung!
Hat es je eine Herrschaft gegeben, die den Herrschenden nicht natürlich erschien?
Autor: Dr. B. Reiter

Über die Unsterblichkeit. Philosophischer Terrorismus – 1. Folge
Autor: Wolter Seuntjens

Heimat-Los
Autor: Stefan Reusch

Die Beweislastigen
Autor: Jürgen Große


portrait
Ernst Bloch. Heimat – worin noch niemand war
Im Unterschied zu Kant, der nie aus Königsberg herausgekommen war, ist das Leben Ernst Blochs durch permanente Ortswechsel bestimmt, aber Heimat duldet keine Veränderung.
Autor: Burghart Schmidt


reihe
Geschichte der Naturwissenschaften und Technik:
Die Entdeckung der Evolution
„Nichts in der Biologie ergibt Sinn, außer man betrachtet es im Licht der Evolution“, denn die Wissenschaft vom Leben wäre ohne die Evolutionstheorie kaum anders als ein Briefmarkenalbum. Doch auch die philosophischen Konsequenzen sind enorm: Keine andere wissenschaftliche Erkenntnis hat unser Welt- und Menschenbild so weitgehend revolutioniert.
Autor: Rüdiger Vaas