Klaus Heuser:
Ganz Deutschland freut sich, 2000
Collage, 110 x 100 cm

der blaue reiter Ausgabe 11

 



Klaus Heuser lebt und arbeitet als freier Künstler in Stuttgart.

Drückt man Papier oder Stoff auf prägende Unterlagen und reibt das Papier beziehungsweise den Stoff mit einem Grafitstift ab, entstehen Durchreibungen, so genannte Frottagen. Dabei bilden sich die Erhöhungen der Unterlagen dunkel ab, während die Vertiefungen „hell“ bleiben. Ein beliebtes Kinderspiel ist die Herstellung von Spielgeld mittels des Durchreibens von Münzen. Für die Kunst entdeckt hat dieses Verfahren der Abbildung von Oberflächen erstmals Max Ernst 1925 mit seinem Zyklus „Histoire naturelle“. Während Max Ernst zuerst die Gegenstände arrangierte, die Frottagen vor der Durchreibung komponierte und im Atelier arbeitete, geht Klaus Heuser einen anderen Weg. Er sucht nach alten Gemäuern, die Graffiti, Zeichen, Spuren oder ähnliches aufweisen. Spannend an der Frottagetechnik ist für ihn die Möglichkeit des Entdeckens von Strukturen und Zeichen, die mit bloßem Auge nicht sichtbar sind. So fand Klaus Heuser beim Frottieren von Kirchenwänden dem bloßen Auge nicht sichtbare Reste alter Steinmetzsignaturen, „Graffiti“ aus der Zeit der napoleonischen Kriege und Spuren von Steinbearbeitungswerkzeugen. Zeichen aus unterschiedlichsten Zeiten begegnen einander, die Realitätsebenen verschiedener Jahrhunderte überlagern sich. Heusers Arbeiten machen, indem sie die Steine zum Sprechen bringen, das Gedächtnis der Steine sicht- und lesbar. Dabei werden durch das Abreiben verschiedenster Steinpartien, durch Drehen und Versetzen des Blattes sowie durch das Zusammennähen einzelner Stoff-Frottagen, einer Collage gleich, neue Beziehungen gesetzt.
Heuser hat das Bildliche in unserer Umgebung aufgespürt. Indem es von ihm wahrgenommen wird, entsteht neu, was seit Jan van Eyck alle großen Realisten faszinierte: dass nämlich alle Kunst in der Umwelt steckt. „Wer sie heraus kann reißen, der hat sie.“ (Dürer)