der blaue reiter, Ausgabe 7
ISBN: 978-3-9804005-6-5



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Mythos Staat


Diese Ausgabe ist leider vergriffen.


Ein Nachdruck des Interviews mit Helmut Schmidt erfolgte in der 2. Sonderausgabe des blauen reiters > Philosophie im Gespräch II.

Entscheidend für das Denken über den Staat ist, ob ein optimistisches oder ein pessimistisches Menschenbild zugrunde gelegt wird. Im Spannungsfeld klassischer Staatstheoretiker und moderner Autoren wird die Frage diskutiert, was wir meinen, wenn wir von Staat sprechen. Wie ist das Verhältnis von Nation und Staat? Gibt es ein gemeinschaftliches Zusammenleben außerhalb von Staaten? Wodurch ist ein Staat legitimiert, und wie lassen sich Recht und Herrschaft begründen? Gilt für die Verfassung eines Staates nur die Grundvoraussetzung von Stanislaw Lec, dass sie so beschaffen sein sollte, dass sie die Verfassung der Bürger nicht ruiniert, oder gibt es allgemein verbindliche Grundlagen, beispielsweise die Menschenrechte?

Aus dem Inhalt:

thema


Der Staat im Rückblick
Staat setzt immer eine zwingende Gewalt, die für alle Angehörigen des Staates verbindlich ist, voraus. Die Leitung durch einen weisen Monarchen wäre am besten, wenn es eine Garantie dafür gäbe, dass der Monarch immer weise bleibt. Weder die bloße Einsicht in die Notwendigkeit einer rechtlichen Ordnung noch ein Vertrag ohne die Errichtung einer erzwingenden Macht reichen aus, um einen souveränen Staat zu bilden. 
Autor: Iring Fetscher

Der Staat – Spiegel der menschlichen Natur oder: Über das Gerechte
Weisheit, Tapferkeit und Besonnenheit sind keine natürlich instinkthaften Eigenschaften, sondern müssen anerzogen werden. Im Idealstaat sind alle geeignet, zu herrschen, allein es muss immer Regierende und Regierte geben. Die Gerechtigkeit, also die Gesundheit einer Polis, hängt davon ab, wieweit die Herrschenden wie auch die „Bürger“ das allgemeine Gut im Blick haben und Privatinteressen nachordnen.
Autor: Stefan Gammel

Das Schicksal des Staates 
Der Staat, der seit dem Westfälischen Frieden (1648) die wichtigste und charakteristischste moderne Institution überhaupt ist, dieser Staat steht kurz vor seinem Ende. Der Staat wurde zu einem Selbstzweck, zu einem irdischen Gott, zu dessen Ehren Feste gefeiert, Denkmäler errichtet und Lieder komponiert und gesungen wurden. Der Staat verfolgte die politische Linie, immer mehr von den Bürgern zu nehmen und immer weniger zu verteilen. Kein Wunder, dass die Loyalität ihm gegenüber ebenfalls abnahm. 
Autor: Martin van Creveld

Politische Kultur. Ernst Cassirer und die Politik 
Für Cassirer muss Politik als Ordnung des gesellschaftlichen Handelns in die Gesamtkultur eingefügt sein. Was sollten Menschen anders sein und werden wollen als gebildete Bürger?
Autor: Ernst Wolfgang Orth

Die „Unsterblichkeit“ der Nationen: Ein Mythos und seine Folgen 
Nationen sind nicht einfach da. Nationen sind historische Produkte. Sie werden gemacht.  Nation ist immer gleichbedeutend mit Abgrenzung, denn ohne Abgrenzung bzw. Ausschluss gibt es keine Nation. Die Geschichte Südosteuropas im 20. Jahrhundert ist zu wesentlichen Teilen die Geschichte nationaler „Flurbereinigungen“. 
Autor: Holm Sundhaussen

Der Leviathan frisst seine Kinder 
Der Arbeitsgesellschaft geht die Arbeit aus. Der glückliche Arbeitslose, der froh ist, Zeit für sich zu haben, die er zur ökonomisch sinnlosen Bildung seiner selbst nutzen kann, ist die Ausnahme. In einer Zeit, in der Politiker einen Berufsstand meint, ist Politik nicht mehr Berufung, sondern bestenfalls ein Schimpfwort.
Autor: Siegfried Reusch

Über kulturelle Identität und die Goldhagen-Debatte 
Unter kultureller Identität wird im allgemeinen die kulturelle Qualität menschlichen Handelns verstanden, in der ihre Sinnbestimmtheit beruht. Diese Sinnbestimmtheit bildet auch den Verstehensgrund des Handelns (das Worin seiner Erklärung), indem die Muster der historischen Selbstverständigung einer Gesellschaft enthalten sind. In der Frage nach der kulturellen Identität geht es somit um einen Tiefencode des kollektiven (auch politischen) Handelns. Die Naziperiode wurde durch negative Absetzung und Abgrenzung von ihr zum integralen Teil der deutschen Geschichte.
Autor: Jörn Rüsen

Der deutsche Selbstverstand 
Der Nachkriegsschock hatte beim Deutschen eine derartige Fassungslosigkeit, enorme Erregung und gar Erstarrung, einhergehend mit einer Orientierungslosigkeit, zur Folge, bezüglich allem, was deutsch war, wenn es sich nicht gerade auf den Fleiß bezog, dass man ihm mühelos eine Demokratie injizieren konnte. 
Autor: Mathias Richling

Staat oder bürgerliche Gesellschaft 
Für Hegel ist das wesentliche an einer Staatsphilosophie, das Vernünftige in den bestehenden Rechtsformen der Staaten zu erkennen. Weil man einen Vertrag grundsätzlich über alles und eben auch über unmoralische, das heißt unvernünftige Dinge abschließen kann, lässt sich der Staat nicht auf dem abstrakten Recht gründen. Eine noch so ausgeklügelte Verfassungskonstruktion nützt nichts, wenn keine vorstaatliche Einigkeit über das Zusammenleben in einem Staat besteht, wenn es keine eigene Sittlichkeit gibt, auf der dieser Staat errichtet werden kann.
Autor: Florian Riedler

Mythos DDR 
Die geschichtliche Ankunft wurde permanent verschoben. Die Wirklichkeit der DDR konstituierte sich über den anderen deutschen Staat. Ein unmäßiges Sicherheitsbedürfnis führte die DDR in die Lage, die Feinde des Sozialismus so radikal bekämpft zu haben, dass sie aus Mangel an ihnen neue erfinden musste. 
Autorin: Elke Uhl

Der Staat – eine Maschine? 
Die Konzepte der Welt-Maschine und der Körper-Maschine waren der Erfahrung der Menschen mit den von ihnen selbst hergestellten und in Bewegung gesetzten Automaten entnommen. Die politische Wissenschaft sollte fortan nicht mehr Regeln des rechten Handelns formulieren, sondern Gesetzmäßigkeiten des Herstellens und Funktionierens. 
Autorin: Barbara Stollberg-Rilinger

Die Quellen des staatlichen Rechts 
Die Inhalte des Freiheitsgebrauchs liegen nicht im Bereich der Regelungsbefugnis des Staates.
Autorin: Minou Friele


umfrage
Was ist der Staat? Wozu noch Staatsphilosophie?
Kurze Beiträge von Professoren verschiedener Fachrichtungen.

Was ist der Staat?
Mit dem Mikrofon unterwegs waren Ute Friesen, Monika Reutter und Stefan Schüle.


interview
mit Helmut Schmidt 
Es ist nicht die Aufgabe der Bundesregierung, dem Volk eine Philosophie zu geben 
Die Geschichte zeigt, dass überall wo Menschen auf Menschen gestoßen sind, Regeln notwendig waren. Die Vorstellung, dass es Endziele geben müsse, ist auch deutscher Idealismus. Es ist eine Krankheit, alles mögliche von Endzielen her zu sehen. Der ganze Kommunismus und der Marxismus hatten ein Endziel. Ich bin für die Menschenrechte, aber ich bin dagegen, den anderen Leuten die eigene Ideologie aufzuzwingen. Ich bin auch für Menschenpflichten.


kolumne
Jedem das Seine
Mit der Tendenz des Staates, sich aus seiner traditionellen Form wegzustehlen, hat die marxistische Idee von seinem Absterben eine Wiederkehr als Farce. Er wird eine Firma unter vielen sein und sich im Rahmen des „dienstleistungs“orientierten Kommunikationsmodells inhaltsleer zu Tode reden. Ein Begriff davon ist die postmoderne Fassade (al fasad: arab.: Korruption), in die ihr schnelles Verrotten als ästhetisches Moment schon eingebaut ist …
Autor:
Ingo Anhenn


essay
Philosophie in der Endzeit. Erinnerung an Günther Anders
Die Menschen taumeln vom Zeitalter ihrer Antiquiertheit in das ihrer Überflüssigkeit – eine trostlose Lage, in der sich die Massen der armen Länder immer schon befanden. In der sich immunisierenden Kühle der Luhmannschen Diktion liest sich das so: „Inklusion/Exklusion“ könnte die Leitdifferenz des nächsten Jahrhunderts werden. Man kann es auch deutlicher sagen: Wo es nur noch Gewinner und Verlierer gibt, hat die Gewalt ohne Sinn eine große Zukunft. Philosophieren heißt seit 1945, in der Endzeit zu philosophieren.
Autor:
Norbert Hofmann


lexikon
Anarchie und Anarchismus
Autor:
Heinz Ulrich Nennen

Deutscher 
Autor
: Andreas Gestrich

Menschenrechte 
Autor
: Thomas Lange

Revolution 
Autorin
: Jacqueline Karl


unterhaltung
Bücherrätsel
Autor: Stefan Baur

Haben Sie Probleme philosophischer Art? Dr. B. Reiter sorgt für Aufklärung!
Der Glaube, dass es gar keine Wahrheit gibt, der Nihilisten-Glaube, ist ein großes Gliederstrecken für einen, der als Kriegsmann der Erkenntnis unablässig mit lauter hässlichen Wahrheiten im Kampfe liegt.
Autor: Dr. B. Reiter

Philosophie im Haushalt 
Um der Frage, wie denn eine reine Senfsauce möglich sei, ein Ende zu bereiten, überlegte Kant, würde ihm doch nichts anderes übrigbleiben, als die Kritik der gastronomischen Vernunft zu schreiben, mit der ihn Hippel seit Jahren aufzog. 
Autor: Manfred Matheis

Gibt es einen zweiten Weg um die Erde? 
Autor:
Thomas Lange


portrait
Carl Schmitt – Philosoph oder Pirat?
„Der Ausnahmefall offenbart das Wesen der staatlichen Autorität am klarsten. – Die Autorität beweist, dass sie, um Recht zu schaffen, nicht Recht zu haben braucht.“ (Carl Schmitt)
„Einflussreichster Staatsrechtslehrer dieses Jahrhunderts“ (Ellen Kennedy) und „jüngster Klassiker politischen Denkens“ (Bernard Willms), aber auch „geistiger Quartiermacher“ (Ernst Niekisch) und „Kronjurist des Nationalsozialismus“ (Waldemar Gurian). „Ich bin ein intellektueller Abenteurer“, war die Selbsteinschätzung Carl Schmitts 1947 bei einem Verhör durch Robert Kempner, den amerikanischen Ankläger im Nürnberger Kriegsverbrecherprozess.
Autor: Theo Rasehorn


reihe Außereuropäische Philosophie
„Denken“ in Kôans. Zen-buddhistisches Denken
Hakuin lehrte seine Schüler: Wenn jemand beide Hände zusammenschlägt, entsteht alsbald ein Ton. Höre auf den Ton der einen Hand. 
Autor: Andreas Schreiber


diskussion
Zur Natur der Bioethik
Die Vertreter philosophischer Systeme verwandeln Diskussionen über spezifische Probleme meist in unfruchtbare Grundsatzdiskussionen. Ein großer Teil der Diskussion um die Ethik der künstlichen Befruchtung ist so stark auf den Embryo fixiert, dass wir die Frau aus den Augen verloren haben. 
Autor: Peter Singer